Myrmekophilie ist eine Wortzusammensetzung aus den griechischen Worten myrmeko- (Ameise) und philia (Freundschaft). Es bezeichnet das Zusammenleben von Ameisen mit anderen Tieren. Freundschaft soll man in dem Begriff bitte nicht überbewerten. Die bekannteste Form ist die wohl die Trophobiose. so wird das Verhalten bezeichnet, wenn ein Lebewesen für Schutz einem anderen Nahrung anbietet. Den Fachbegriff mag kaum jemand kennen, doch hat sie schon fast jeder beobachten können. Ameisen beschützen Blattläuse vor ihren Feinden, den Marienkäferlarven, und erhalten im Gegenzug dafür Honigtau.
Neben diesen für beide Seiten nur positiven Aspekte habende Form des Zusammenlebens (Mutualismus / mutalistische Symbiose) reichen andere Varianten von ausnutzenden Verhaltensweisen (Symphilie) bis hin zu rein parasitären Verhalten. Bei der Symphilie wird z.B. durch ein beschwichtigendes Sekret die Brutpflegeleistung der Ameisen ausgenutzt. Was nicht zum Nachteil der Ameise sein muss. Die reine Pflege für ein leckeres Sekret schadet der Ameise nicht. Aber wenn im Gegenzug die Brut gefressen wird, dann ist die Grenze zum Parasitismus überschritten.
Warum jetzt so eine sperrige Einleitung? So kann ich kurz den Rahmen umreißen wo wir uns mit den Bläulingen bewegen, denn über 75% der weltweiten Bläulingsarten sind in ihrer Entwicklung auf Ameisen angewiesen. Einige davon auf bestimmte Arten und manche dazu noch auf eine bestimmte Pflanze. Das komplexe Zusammenleben von Ameisen, Bläulingen und Pflanzen lässt leicht erahnen wie sich Lebewesen im Zuge der Evolution ihre Nische in Natur gesucht und gefunden haben und wie leicht diese Kreisläufe durch externe Eingriffe gestört und Arten dadurch an den Rand der Ausrottung gebracht werden können.
Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling – Phengaris nausithous
Dieser auf der Unterseite braune Falter benötigt für seinen Fortbestand genau eine Ameisenart, die Rote Gartenameise / Rotgelbe Knotenameise Myrmica rubra, die glücklicherweise zu den häufigeren Arten gehört und welch Glück feuchte und schattige Standorte bevorzugt. Denn unser Schmetterling benötigt für seine Raupen auch noch den Großen Wiesenknopf Sanguisorba officinalis. Der es auch lieber feucht als trocken hat.
Im Sommer, hier in der Münchner Gegend Mitte Juli bis August, legen die Weibchen ihre Eier, einzeln oder in kleinen Gruppen, in die reifen, roten Wiesenknöpfe. Die Raupen schlüpfen nach durchschnittlich acht Tagen, fressen dann den Wiesenknopf von innen heraus auf und lassen sich, wenn sie Groß genug sind, Ende August, Anfang September fallen. Hier ist gut ein Gefährdungspotential für diese Schmetterlingsart zu erkennen. Wird eine Wiese mit Dunklen Wiesenknöpfen im normalen Modus gemäht, dann hat die Raupe keine Chance auf Entwicklung. Also bei Vorkommen vom Wiesenknopf-Ameisenbläuling bitte nicht zwischen Ende Mai und Ende September mähen. Die genauen Zeiten hängen von der Lage ab und kann variieren.
Am Boden verströmen die Ameisen dann einen süßen Honigduft und locken die Ameisen damit an. Da sie diesen leckeren Saft auch absondern werden die Raupen dann von den Myrmica rubra Ameisen eingesammelt und in deren Bau gebracht. Für die Ameisen scheint damit eine nie versiegende Quelle an Honigtau in ihrem Bau angekommen zu sein. Durch Pheromone und den Honigtau-Duft werden die Raupen von den Ameisen nicht getötet sondern als Teil ihrer Gemeinschaft akzeptiert.
Aber die Laven müssen auch leben, sie können keinen Honigtau aus dem Nichts produzieren. Sie fressen zum Dank die Brut der Ameisen, bis zur ihrer Verpuppung im Frühjahr bis zu 600 Larven. Pro Ameisenbau können deswegen nur 4 Bläulingspuppen überwintern. Die Anzahl der Ameisenbauten reguliert somit die Anzahl der Bläulinge auf einer Wiese.
Im Frühjahr verpuppt sich der Falter und gut 25 Tage später schlüpft der Bläuling um in die kürzeste Lebensphase zu treten. Er muss schnell den Ameisenbau verlassen, da die Ameisen den Schwindel nun erkennen. Seine Schuppen scheinen ihn vor Angriffen zu schützen. Nun fliegt er für knapp 14 Tage und lebt auf und mit den Wiesenknöpfen. Der Kreislauf beginnt von vorne.
Der Helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling –Maculinea teleius verhält es sich ähnlich. Es wird aber nicht unbedingt nur Myrmica rubra sondern auch Myrmica scabrinodis als Wirtsameise akzeptiert. Aber auch hier ist der Große Wiesenknopf Sanguisorba officinalis für die Raupenentwicklung unverzichtbar.
Lungenenzian-Ameisenbläuling – Phengaris alcon
Neben den beiden Wiesenknopf-Ameisenbläulingen gibt es auch noch die Enzian-Ameisenbläulinge. Einmal den auf trockenen Wiesen lebenden Kreuzenzian-Ameisenbläuling und den hier beschriebenen Lungenenzian-Ameisenbläuling. Dieser lebt auf feuchten Wiesen. Vermutlich handelt es sich um ein und dieselbe Art, die an verschiedene Habitate angepasst ist. Aber offiziell sind es noch zwei Arten.
Die Raupen ernähren sich im Frühstadium von Lungen- oder Schwalbenwurz-Enzian. Damit ist er nicht ganz so eingeschränkt in der Nahrungsgestaltung wie die Wiesenknopf-Ameisenbläulinge. Die Weibchen legen die Eier auf Blüte und Blätter. Die Raupe ernährt sich aber im inneren der Pflanze von Samen und deren Anlagen. Später frisst sie sich nach außen und lässt sich im September fallen. Auch hier ist wieder ein Mahdtermin Ende September für den Erhalt der Art wichtig. Auf dem Boden wird die Raupe dann von den Ameisen der Arten Myrmica ruginodis, Myrmica scabrinodis oder Myrmica rubra eingesammelt. Die Ameisen halten sie aufgrund ihres Geruchs, des Aussehens ihrer Außenhaut und für Menschen unhörbarer Laute für eigene Larven und bringen sie dann in ihren Bau.
Dort werden die Bläulingslarven dann von den Ameisen durchgefüttert und über den Winter gebracht. Sie verhält sich nicht räuberisch oder parasitär. Sie liefert den Ameisen aber auch keinen Honigtau. Dadurch, das sie nicht räuberisch leben, können mehr Larven als beim Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling pro Nest überleben. Aber die Ameisenpopulation leidet unter dem ständigen Nahrungsverlust. Es entwickeln sich weniger Ameisenlarven als ohne Schmetterlingsbesuch.
Auch hier muss der frisch geschlüpfte Schmetterling schnell den Ameisenbau verlassen, da ihm die schützenden Duftstoffe fehlen.
Ginter-Bläuling / Idas-Bläuling – Plebejus idas
Der Idas-Bläuling ist ein typischer Münchner, die Münchner Schotterebene ist seine letzte große Heimat in Deutschland. Er lebt auf Magerrasen von Kalk und Heidegebieten. Die Raupen des Idas-Bläulings schlüpfen nach der Überwinterung des Eis im Frühjahr. Also ganz anders als bei den Ameisen-Bläulingen überwintern die Larven nicht im Bau der Wirtsameisen. Die Raupen ernähren sich u.a. von verschiedenen Ginsterarten.
Wozu dann die Ameisen? Die Ameisen sind sozusagen die Leibwächter der Raupen, ihre persönliche Armee. Sie versorgen dazu im Gegenzug die Ameisen mit dem begehrten Honigtau. Als Ameisen kommen Lasius niger und diverse Formica Arten in Frage. In Bayern ist sein Zusammenlaben nur mit Sklavenameisen bekannt. Diese sind sehr aggressiv und verteidigen die Bläulinglarve rabiat. Wer schonmal in deren Gebiet war, der kann bestätigen, dass kein Feind zu groß ist.
Die Verpuppung der Raupe findet entweder im Laub oder auch im Ameisenbau statt. Nach dem Schlupf muss der Falter dann auch wieder sehen, dass er unbehelligt von den Ameisen aus deren Bau entkommt.
Im Gegensatz zu den anderen Ameisenbläulingen ist der Idas-Bläuling wirklich eine Ameisenfreund, denn er frisst nicht ihre Brut und lässt sich nicht aushalten. Es ist eine Trophobiose wie bei den Blattläusen.
Der Argus-Bläuling – Plebejus argus – und der Kronwicken-Bläuling – Plebejus argyrognomon – verhalten sich ähnlich.
Silbergrüner Bläuling – Lysandra coridon
Auch der Silbergüne Bläuling lässt seine Raupen von Ameisen beschützen: Lasius und Myrmica-Arten, Plagiolepis vindobonensis, Tetramorium caespitum und Formica rufa. Die Raupe versorgt auch hier die Ameisen mit einem leckeren Sekret, das sie beim betrillern mit den Ameisenfühlern abgibt. Die Raupen nutzen Duftstoffe und zwei fühlerartige Organe auf dem Rücken um die Ameisen anzulocken. Die Ameisen wiederum bauen Unterschlüpfe aus lockerem Erdreich für die nachtaktiven Raupen.
Andere Arten
Neben diesen hier genannten Bläulingen leben noch viele andere Arten mit Ameisen zusammen. Selbst die Larve des weit verbreiteten Hauhechel-Bläulings / Gemeinen Bläulings versorgt Ameisen mit einem leckeren Sekret und lässt sich von ihnen beschützen. Im Allgemeinen kann hierzu noch viel geforscht werden, es fehlt noch viel Wisssen über das Zusammenleben von Raupen und Ameisen.
[…] Das Zusammenleben mit Ameisen bezeichnet man als Myrmekophilie und habe ich schon anhand einiger Bläulingsarten hier erklärt: Artikel zu Myrmekophilie. […]